Beitrag anhören |
Ein Satz, den ich immer wieder höre. Meist höre ich ihn, wenn ich erzähle, dass ich irgendwo hinreise, dass ich in Cafés arbeite oder dass ich nur auswärts esse. Was steckt drin, wenn ihn jemand sagt? Ich höre folgendes heraus:
- Dein Leben ist toll.
- Dein Leben ist nicht normal.
- Dein Leben ist nicht realistisch.
- Dein Leben ist für mich nicht möglich.
Den Punkten 1 und 2 stimme ich zu. Den Punkten 3 und 4 nicht. Diese Art zu leben ist realistisch und sie ist grundsätzlich für jeden möglich. Aber, möchte ich den anderen fragen, hättest Du mein Leben wirklich gerne? Das heißt zum Beispiel:
- Du bist selbständig und weißt nicht, woher in zwei Monaten das Geld kommen wird. Deine Lebensumstände werden von Sozialwissenschaftlern „prekär“ genannt.
- Du machst dauernd Kompromisse, was deine Wohnung angeht. Das Bett gefällt dir nicht? Die Nachbarn sind laut? Die Möbel sind geschmacklos? Es gibt keine Waschmaschine? Oder: Die Wohnung ist perfekt, aber du musst am Monatsende raus? Tja.
- Du fühlst dich als Außenseiter, wenn über Schwierigkeiten des normalen Lebens geklagt wird. Die Kinder, der Job, das Wetter. Meckern verbindet, aber du bist nicht dabei.
- Du kannst nicht shoppen gehen, wenn Du ein Gefühl von Leere empfindest.
- Du bist fast überall fremd. Du kennst keinen, mit dem Du ein Bier trinken gehen kannst, der Dich zu Partys einlädt oder mit dir Fußball schaut.
Das soll nur eine Erinnerung sein, dass nicht alles Gold ist, was glänzt. Du kannst alles mögliche haben, wenn du es möchtest, aber du bekommst immer nur das ganze Paket.
Wenn Du sagst, „Dein Leben hätte ich gerne“, dann meinst Du die Sonne, die mir aus dem Arsch scheint. Den Regen meinst Du nicht. Und warum hast du mein Leben nicht? Wegen der Aspekte, die Dir nicht gefallen. Du willst genau das Leben, das Du gerade führst. Denn das lebst Du ja. Wenn Du ein anderes wolltest, würdest Du es leben. Klingt komisch, ist aber so.
Abschließend ein Zitat von Thomas Jefferson:
I’m a greater believer in luck, and I find the harder I work the more I have of it.
Oh ja, immer diese großen Augen verbunden mit Stirnrunzeln. Als wäre es ein Leben aus einer anderen Welt, das nur ganz wenige Menschen führen können, die da irgendwie durch Zufall reingerutscht sind.
Dabei sehe ich es genauso wie Du: Dein Glück kannst Du erzwingen, indem Du es Dir erarbeitest. Nur will das keiner hören, denn das zerstört ja die Illusion und man müsste sich fragen: Warum lebe ich eigentlich nicht so?! Da ist es leichter zu sagen: „Ich kann halt nicht.“
Ich sehe, wir sind uns einig. Kein Wunder, bei dem Namen 🙂
Hihi… aber bei dem Satz „Dein Leben hätte ich gerne“ kann man dann auch noch so schön darüber meckern. 😉
Ich bin da ja total zwiegespalten und als jemand der noch einen fixen, standortverbundenen Job, eine fixe Wohnung / Partner … hat, träume ich schon oft von der großen weiten Welt. Einfach mal für ein paar Monate (Jahre?) rauszukommen und alles hinter sich zu lassen.
Und gleich nach diesem Gedanken, kommt der „aber hier ist es so toll“. Hier habe ich Freunde, Familie, Spass … warum also gehen?
Hach, so schwierig. 🙂
Liebe Grüße
Christina
PS: Und zu uns kannst du immer zum Bier vorbei kommen (nur wegen dem Fussball müssen wir noch reden). 😉
Hey Christina, ich denke ja, viele Lebensstile sind toll. Nur der Satz: „Dein Leben hätte ich gern“ (im nöligen Tonfall) ist immer scheiße. Und er kann auch über alle Lebensstile geäußert werden. Also, was du auch machst, es ist richtig.
Schön, dass ich in Österreich jetzt schon eine Anlaufstelle zum Biertrinken habe! Und mit meiner Lieblings-Food-Fotografin gucke ich auch ne Kochsendung!
… und danach Fußball.
Ja das kenne ich auch und das muss man einfach ignorieren. Die meisten beachten dabei nicht, das hinter einem einfach lockeren Leben genau soviel harte Arbeit steckt. Sie haben halt nichts vergleichbares womit sie es gegenüberstellen können bzw. diese Lebensweise ist einfach noch zu unbekannt.
Absolut!
Ich kenne das auch. Ich hab mich in der Sache mit der Arschsonne doch sehr wiedergefunden. Ich bin viel als Musiker unterwegs. Macht man das schon lange, so fühlt man sich auf Bühnen wohl, das merken die Leute. Man wird schon auch mal ein bisschen angehimmelt und das nimmt man auch gerne mit. Wie kann der Typ da nur so gelassen vor 100 Leuten stehen? Und so weiter. Gut, ich bin nur Bassist, da werde ich von den Frauen meist nicht wahrgenommen, aber falls doch, ja auch schön… nur wenn dann die andere Seite klar wird, nämlich dass dieser Typ ein schmales Einkommen „bevorzugt“, um genug Zeit für die Kreativität und das Üben zu haben und dass da ein gewisses Hadern dahintersteckt, wenn es nicht so läuft, dass da eine Kritik an eigenen Nuancen stattfindet, die für andere zunächst nicht mal wahrnehmbar sind, usw. – wenn diese Regenseite deutlicher wird, dann ist keine(r) mehr bereit, das zu teilen.
Genau. Wir hätten gerne die Sonnenseiten aller Leben vereint, ohne den Schatten. Danke für Deine Version der gleichen Erfahrung.
Witze über Bassisten spare ich mir jetzt mal 🙂